Die Rückkehr des Freskos in die zeitgenössische Kunst – Selbstbildnis in jahrtausendealter Technik
Ich hatte vor kurzem bereits angedeutet, daß sich neue Dinge am Horizont abzeichnen. Neben Auftragsportraits – in diesem Beitrag erkläre ich an einem Beispiel, wie ich ein solches male – zeigen sich neben thematischen Erweiterungen maltechnische Novellierungen und darüber will ich im vorliegenden Fall berichten.
Fresko & Secco – Begriffe, Unterschiede und Übertragung in die Tafelbildmalerei
Nach meiner Erfahrung ist der Begriff der Freskomalerei nur einem Fachpublikum geläufig. Um es genauer zu umreißen, sind das Architekten, Restauratoren oder Kirchenmaler und ein paar zählbare Dekormaler. Ich kannte den Begriff tatsächlich seit meiner Architekturstudienzeit. Auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst ist sie seit Jahrzehnten gänzlich verschwunden.
Fresko ist eine für deutsche Zungen aussprechbare Ableitung des italienischen Begriffs affresco (frisch) und meint nichts anderes als die Aufbringung einer Malerei auf den frischen Putz einer Wand oder Decke eines Gebäudes. Wobei das Sgraffito, das weniger eine Form der Malerei, als mehr eine Kratztechnik in Putz ist, ergänzend erwähnt werden muss. Auch diese Technik wird zu den Freskotechniken gezählt. Der Begriff entstammt ebenfalls dem Italienischen. Ich habe hierzu einen Artikel auf meiner Seite veröffentlichen.
Die Freskomalerei ist eine Technik der Wandmalerei. Neben der Fresko- gibt es diverse Techniken der Seccomalerei. Hierbei bezieht sich secco (trocken) auf die bereits abgebundene Wandfläche. Seccotechniken können sowohl für Wand- als auch für Tafelmalereien genutzt werden. Im vorliegenden Selbstbildnis habe ich mich für die zweite der beiden Möglichkeiten entschieden.
Grundierung, Materialien und Bindemittel: Marmorsand, Naturpigmente und Kalk-Kasein
Jede Maltechnik verlangt ihre eigene Grundierung. Nach den Eindrücken unserer Italienreise im September 2024, begann ich Holztafeln für Kaseinmalereien vorzubereiten. Allein die Kunst des Grundierens ist – wenn man auf vorgefertigte Produkte verzichtet – eine aufwändige und zeitintensive Angelegenheit. Von Anfang an war ich auf einen Malgrund bedacht, der der Seccomalerei in ihrer Wirkung dem Fresko gleichkommt. Zu diesem Zweck mischte ich weißen Marmorsand aus Carrara in die letzte Schicht der Grundierung ein. Borax-Kasein gilt als wasserunlöslich – bei mir zeigte sich das Gegenteil. Ich isolierte den ersten Malversuch und führte ihn schließlich als Ölmalerei weiter. Doch meine Neugier drängte mich, mit Kalkkasein fortzufahren. Da mich zunächst andere Verpflichtungen abhielten, schimmelte mein erster Emulsionsansatz, ebenso ein Teil meiner Pigmentteige. Zwei volle Arbeitstage hatte ich in Handarbeit darauf verwendet. Um die Erfahrung der kurzen Haltbarkeit war ich also reicher. Das sollte mir beim nächsten Mal nicht passieren. So kam es, daß ich beim zweiten Versuch erst gegen späten Nachmittag meine Kalkkaseinpalette fertig angerieben hatte. Daß sich die Malzeit bis in die späten Nachtstunden zog, lag in der Natur der Sache.
Grenzen der Technik? – Ihr Reiz und ihre Vorteile!
Bei den ersten Pinselstrichen zweifelte ich zunächst, ob es eine so gute Idee sei, mich wieder einmal auf unbekanntes Terrain zu begeben. In älterer Fachliteratur liest man, daß die meisten Kunstmaler diese Technik bereits in den 1960er Jahren scheuten. Man kann sich nämlich nicht der kompletten Pigmentpalette bedienen wie sie u.a. dem Ölmaler zur Verfügung steht. Möglich sind nur kalkbeständige Pigmente. Hinzu kommt der immense zeitliche Aufwand für Grundierung, Bindemittel und dem Anreiben der Farben. Fresko und Secco erlauben – im Unterschied zur Primamalerei – keine Korrekturen. Jeder gezogene Strich bleibt sichtbar. Beim Fresko zieht nach einigen Stunden Arbeit der Putz an. Dann ist der Arbeitstag beendet, im günstigsten Fall ist das geplante Tagwerk geschafft. Falls nicht, muss am Folgetag der Putz abgeschlagen, von neuem aufgetragen und bemalt werden. Beim Secco bleibt die Malschicht hart und spröde. Mehrfaches Übermalen birgt die Gefahr des Abplatzens und auch die kurze Haltbarkeit angeriebener Farben zwingt zu konzentrierter Arbeit in engem Zeitfenster. Einmal angeriebene Farben können nur an einem Tag verarbeitet werden und selbst das Bindemittel, das ausschließlich aus organischen Zutaten besteht, hat eine absehbare Halbwertszeit. Viele Kollegen meiner Zunft zählen all diese Eigenschaften der Kalk-Kasein-Malerei zu ihren Nachteilen – und meiden sie deshalb. Zu Unrecht, wie ich finde. Es ist eine äußerst feine Technik, der man sich mit Gespür für Farbe und Material nähern muß, um ihr volles Spektrum an Kontrasten und Harmonien nutzen zu können. Wer sich dieser Herausforderung stellt, entdeckt Dinge, die mit keiner anderen Maltechnik erreichbar sind.
Karton, Übertragung und Vorzeichnung
Die Technik ist – wie sich der geneigte Leser gewiß bereits gedacht hat – nicht meine Erfindung. Die ältesten Fresken reichen über die Antike bis in das ägyptische Altertum zurück. Die Seccomalerei, ebenfalls für die Wand geeignet, ist in der Regel die Technik der Wahl für die Tafelmalerei und, meiner Vermutung nach, jüngeren Datums.
Von vielen Freskanten, unter ihnen der Venezianer Giambattista Tiepolo, weiß man, daß sie so manches Fresko partiell secco überarbeiteten – Tiepolo war darin keineswegs allein. Er hat es mir übrigens besonders angetan. Aus diesem Grund erweiterte ich meine Bibliothek umgehend um eine beachtliche Anzahl seiner Kataloge. Schließlich malte ich ihn in der Seccotechnik und zeichnete ihn mit Rötel. Die Nachempfindung seines Selbsbildnisses im Deckenfresko der Würzburger Residenz ist auf meiner Portraitseite zu sehen.
Begonnen habe ich, wie bei allen später folgenden Secco- und Freskomalereien, mit einem Karton im Maßstab 1:1 für das hier vorliegende Selbstbildnis. Für das Durchstechen der Konturen und das Pudern mit Pigmenten fehlte mir allerdings die Geduld – beim Fresko wäre es freilich nicht anders möglich gewesen. So übertrug ich nur einige Hauptlinien, ähnlich wie man in klassischen Zeichentrickfilmproduktionen eine Figur in Bewegung setzt: Ich legte das zu kopierende Blatt über den Malgrund, blätterte vor und zurück und verglich jeden neuen Strich mit dem darüberliegenden. Den Rest ergänzte ich mit geübtem Blick aus freier Hand. Darauf folgte der eigentliche Malvorgang – jener, auf den ich mich die ganze Zeit freute.
Palette, Pinsel & Malverhalten
Vergleicht man Fresko-/Secco- mit Ölpaletten stellt man ein vermeintlich begrenztes Farbspektrum fest. Wie ich bereits erwähnte sind ausschließlich kalkbeständige Pigmente möglich. Freskiert man auf Außenwände, reduziert sich die Auswahl ein weiteres Mal. Dort müssen Pigmente absolut lichtbeständig und säurefest sein.
Und schließlich nutzte ich eine Handvoll Pinsel, die alle bis auf einen kleinen Spitzpinsel explizit für Freskomalereien hergestellt wurden. Mein Lieblingspinsel darunter ist der florentinische, der nach traditioneller Weise für Freskopinsel nicht in einer Metallzwinge, sondern in straff gebundenem Garn sitzt. Als ungewöhnlich empfand ich die langen Borsten, die wider Erwarten sehr weich waren. Sie erinnerten mich an meine frühen Jahre als Malschüler und transportierten mich zurück in das freudige Wohlgefühl meiner Anfangsjahre. Meine ersten Malpinsel waren aus Schweineborste. Wie sich schließlich Pinsel und Farbe auf der Fläche verhalten würden, wußte ich vorerst noch nicht. Trocknet sie schnell und muss ich die Tonwerte genau mischen bevor ich sie als Farbfleck gezielt auf dem Malgrund zu einem Bild zusammensetze oder trocknet sie langsam und kann ich auf der Fläche den finalen Wert suchen? Doch nach ersten zaghaften Pinselstrichen, mischte ich genauso routiniert die wässrige Verbindung aus Emulsion und Pigmentteig, wie ich es von meinen Ölmalereien gewöhnt bin und setzte das Bild Stück für Stück zusammen.
Diffusionsoffenheit und Dauerhaftigkeit der Wandoberfläche
Nachdem ich mit der neuen Malweise vertrauter wurde, wechselte meine anfängliche Vorsicht zu wachsender Freude. Damit hatte ich etwas aufgetan, das meine Möglichkeiten um ein Vielfaches erweiterte. Das Herrliche an dieser Jahrtausende alten Technik ist u.a., daß wenn man sie als Wandmalerei nutzt, diese offenporig bleibt, Luftfeuchtigkeit also in beide Richtungen ungehindert hindurch kann. Acryl- oder ölbasierende Wandfarben verkleben die Wandoberfläche. Zudem bleibt die verklebende Farbe eine Schicht an der Oberfläche, die mit der Zeit an Strahlkraft und Haltbarkeit verliert. Kalkpigmentfarben verklammern sich mit dem Wandputz, der idealerweise ein Kalkputz ist. Noch dauerhafter sind nur reine Freskomalereien, die eine Einheit mit dem Putz bilden.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Secco und Fresko auf einen Blick.
Fresko oder Secco – Wo liegt der Unterschied?
Fresko: Malerei auf frischem Kalkputz; Secco: auf abgebundenem trockenen Kalkputz oder präparierten Maltafeln. Beide setzen kalkbeständige Pigmente voraus.
Warum Kalk-Kasein als Bindemittel?
Kalk-Kasein als Bindemittel sorgt für die innigste Verbindung mit dem Malgrund. Das Ergebnis ist eine harte, matte Oberfläche. Auf der Wand und in der Tafelbildmalerei gleicht sie der Freskomalerei. Die Deckengemälde z.B. in der Frauenkirche Dresden sind nach ihrer Rekonstruktion als Seccomalerei ausgeführt worden.
Sind alle Pigmente geeignet?
Nein. Verwendet werden nur kalkbeständige Pigmente. Die klassische Ölfarb-Palette ist nicht 1:1 nutzbar.
Warum bleibt die Wand diffusionsoffen?
Das liegt am Bindemittel. Fresko- und Seccomalerei verkleben die Wand nicht wie Acryl- oder Ölfarben. Poren der Wand bleiben offen für die Schwankungen der Luftfeuchtigkeit. Vorteil: Gesünderes Raumklima.
Jedes Projekt beginnt mit einem Gespräch und einer Skizze. Schreiben Sie mir.


