Stromkabel malen ist tatsächlich das, was den beschwerlichsten Teil einer Malerei ausmachen kann. Alles andere kostet keine Mühe und macht grenzenlos Spass. Die dünnen geschwungenen und knäulenden Striche schätzt man von außen wahrscheinlich als den mühelosesten Part ein, den jeder Laie mit Leichtigkeit hinlegt. Weit gefehlt. Schwung, Stärke der Linien, die nie gleich sind, Rhythmus und Arhythmus verlangen viel Augenmaß und Erfahrung ab. Hier war ich irgendwann mit dem Bild fertig ohne das Knäuelwirrwarr der Stromkabel gemalt zu haben. Oder war ich es doch nicht? Eine kleine Unsicherheit blieb solange, bis ich es psychologisch nicht mehr aushielt und einen weiteren Maltag ausschließlich für diese fehlende Marginalität opferte. Am Ende gab ich mir selber Recht, dass dieser scheinbar unbedeutende Teil sich nun doch als essenziell herausstellte, da er schließlich den typischen Charakter italienischer und spanischer Orte ausmachte. Jedes Mal wenn ich so ein Durcheinander hoher spanischer Elektrikerkunst sehe, frage ich mich, wer da durchsehen soll. Das weiß doch nur der es gemacht hat. Und vielleicht sein Sohn. Wer schon einmal länger in Spanien als für die Dauer eines touristischen Sommerstops war, der versteht was ich meine. Handwerksberufe werden selten offiziell ausgebildet, sondern von einer in die Folgegenerationen vererbt. Wir alle kennen das Bild der Garagenwerkstatt in irgendeiner kleinen Einbahngasse aus der das zerlegte Heck eines Fiat Punto ragt. Für mehr ist kein Platz und das ist dann auch der Wirkungsort des lokalen Schraubermeisters. Übrigens sind diese Zeilen mit dem größten Wohlwollen geschrieben. Manchmal erinnert mich diese Improvisationskultur an meine Kindheit in der DDR. Damals gab es vieles schwer bis gar nicht und die Menschen mußten sich zu helfen wissen. Und sie wussten es. Es wurde nahezu alles repariert, selten weggeworfen. Der Mensch, insbesondere der Mensch in der Mitte einer konsumtiven Mangelkultur, ist zu außerordentlichen Dingen fähig. Heute klopft die künstliche Intelligenz an die Tür und will den rudimentären Rest dessen was den Menschen ausmacht übernehmen: Seine Schöpferkraft.
Capdepera, 30 x 30 cm, ÖL/LW/MDF, 2023